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Neue Wege ins Lehramt – zwischen Anspruch und Wirklichkeit
Was der Monitor Lehrkräftebildung über Quereinstieg und duale Studienmodelle zeigt – und was das für Schleswig-Holstein bedeutet
29.07.2025

Der Lehrkräftemangel bleibt eine strukturelle Herausforderung – gerade in der Sekundarstufe I und an beruflichen Schulen übersteigt der Bedarf an qualifizierten Lehrkräften weiterhin das Angebot. Die Kultusministerkonferenz (KMK) hat im Juni 2024 mit ihrem Beschluss zur „Gestaltung von zusätzlichen Wegen ins Lehramt“ einen wichtigen Impuls gesetzt: Neue, standardisierte Zugangswege sollen es ermöglichen, auch Menschen mit anderen Bildungsbiografien für den Lehrerberuf zu gewinnen. So wurde der rechtliche Rahmen für die Einführung und Anerkennung von Quereinstiegs-Masterstudiengängen in einem oder zwei Fächern (sogenannte Q-Master) und dualen Lehramtsstudiengängen gelegt.
Doch wie ist der Status quo bei diesen Modellen – bundesweit und in Schleswig-Holstein? Hierzu liefert ein aktueller Policy Brief des Monitor Lehrkräftebildung vom Juni 2025 neue Erkenntnisse. Der Monitor Lehrkräftebildung ist ein gemeinsames Projekt der Bertelsmann Stiftung, des CHE Centrums für Hochschulentwicklung, der Robert Bosch Stiftung und dem Stifterverband, bei dem wiederholt Daten aus Hochschulen aller Bundesländer zur Struktur ihrer Lehrkräftebildung abgefragt werden.
1. Quereinstieg per Master
Der Monitor Lehrkräftebildung zeigt: Die neuen Quereinstiegs-Masterstudiengänge (Q-Master) sind bislang ein Nischenangebot. Zwar wurden bis zum Wintersemester 2024/25 erste Studiengänge eingerichtet – aber:
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In der Regel beschränken sich 2-Fach-Q-Master auf berufliche Schulen oder MINT-Mangelfächer.
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1-Fach-Q-Master sind bundesweit meist auf Kunst oder Musik beschränkt.
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Nur 9 von 21 Hochschulen mit Q-Master-Angeboten ermöglichen ein Teilzeitstudium – ein entscheidender Hinderungsgrund für berufserfahrene Bewerber*innen mit familiären oder finanziellen Verpflichtungen.
Die konzeptionelle Bandbreite der Programme ist groß, die Kohorten meist klein – der Schritt zur strukturellen Breitenwirkung steht noch aus.
2. Duale Lehramtsstudiengänge
Auch bei den dualen Studiengängen, in denen Hochschule, Schule und Studienseminar systematisch verzahnt werden, zeigt sich: Die Potenziale sind da – aber die Umsetzung ist anspruchsvoll.
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Nur wenige Länder haben bislang duale Modelle etabliert. In Schleswig-Holstein existiert ein solcher Studiengang für das sonderpädagogische Lehramt an der Europa-Universität Flensburg.
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In Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und Thüringen wurden 2024 erstmals duale Studiengänge eingerichtet.
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Die Programme stellen hohe Anforderungen an Organisation, Mentoring und Finanzierung – ein gemeinsamer Orientierungsrahmen fehlt bislang.
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Es ist unklar, wie gut die Programme tatsächlich zu den Lebensrealitäten der Zielgruppen passen – insbesondere, wenn sie eigenverantwortlichen Unterricht bereits im Studium voraussetzen oder keine berufliche Absicherung bieten.
3. Qualität und Zielgruppenpassung als zentrale Herausforderungen
Der Policy Brief betont: Die Wirksamkeit der neuen Wege steht und fällt mit ihrer Qualität – und ihrer Passung zur Zielgruppe.
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Viele Interessierte verfügen über Berufserfahrung, sind älter als klassische Lehramtsstudierende und erwarten Flexibilität (z. B. Teilzeitoptionen, digitale Elemente, klare Strukturen).
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Ein Vollzeitstudium mit Angleichungsmodulen und fehlender finanzieller Unterstützung ist wenig attraktiv – gerade in Konkurrenz zu attraktiveren Arbeitsmärkten, etwa im MINT-Bereich.
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Der Praxisanteil ist ein zentrales Argument für diese Formate – allerdings braucht es dafür auch qualifizierte Begleitung und Verlässlichkeit der schulischen Lernorte.
Was bedeutet das für die Allianz für Lehrkräftebildung?
Auch in der Allianz für Lehrkräftebildung machen wir neue Wege in das Lehramt möglich. Neben etablierten neuen Studienmodellen wie dem Ein-Fach-Master Kunst an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und dem Dualen Master Sonderpädagogik, wurde an der Musikhochschule Lübeck ab 2024 ein Ein-Fach-Master Musik für Grundschulen sowie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel erstmals auch ein Ein-Fach-Master für die Fächer Mathematik und Informatik eingeführt. Damit geht die Allianz für Lehrkräftebildung neue Wege, was die Schultypen und Fächer für diese Art der Studiengänge angeht. Weitere Ein-Fach-Master sind für die Fächer Chemie und Physik in Vorbereitung. Eine generelle Einführung von dualen Studiengängen wird aktuell von der Allianz für Lehrkräftebildung auf Grund der hohen Anforderungen und den bisherigen unklaren Ertrag nicht angestrebt.
Fazit
Neue Wege in den Lehrerberuf sind kein Selbstzweck – sondern ein notwendiger Beitrag zur langfristigen Qualitätssicherung in der Bildung. Der Policy Brief des Monitor Lehrkräftebildung zeigt: Es reicht nicht, zusätzliche Programme anzubieten. Entscheidend ist, wie diese Programme gestaltet sind – inhaltlich, organisatorisch und strukturell. Schleswig-Holstein hat die Chance, hier voranzugehen – mit Angeboten, die bedarfsgerecht, professionell und attraktiv sind.